Wie die Kampagne #metoo zeigt, sind es erschreckend viele Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren haben. Die bisherige Debatte über Abhängigkeit und Macht reicht aber nicht aus. Es fehlen Strukturen, die es Frauen nach einem solchen Verbrechen leichter machen, Anzeige zu erstatten.

Denn: Nur 15 Prozent der Opfer von sexueller Gewalt gehen zur Polizei, so eine EU-Studie von 2014. Viele Frauen haben Angst vor dem, was ihnen bei Behörden und vor Gericht widerfahren kann, wenn sie die Täter anzeigen. Die Dokumentation "Vergewaltigt. Wir zeigen an!" erzählt die Geschichten von vier mutigen Frauen und dem, was sie nach der Anzeige erlebt haben. Der Film stellt die Frage, was sich in Deutschland für Opfer von sexueller Gewalt ändern muss. Die dreißigjährige Soldatin Nora kämpft nach einem sexuellen Übergriff innerhalb der Bundeswehr darum, von ihrem Vorgesetzten überhaupt ernst genommen zu werden. Dabei weisen Spuren und eine Videoaufzeichnung schnell auf Noras Täter hin - ebenfalls ein Soldat. Dennoch werden Nora wenig Hilfsangebote innerhalb der Bundeswehr gemacht. Schlimmer noch: Das angezeigte Verbrechen soll totgeschwiegen werden. "Wissen Sie eigentlich, was Sie ihrem Kollegen mit einer Anzeige antun?", habe ein Oberstleutnant der Bundeswehr sie unter vier Augen gefragt. Immer wieder fühlte sich Nora in den Wochen nach dem sexuellen Missbrauch so, als werde sie vom Opfer zur Täterin gemacht. Aber Nora bleibt bei ihrer Anzeige, und der Täter wurde 2017 zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Die 22-jährige Anna wurde von zwei Männern sexuell missbraucht. Die Täter filmten die Tat und konnten so überführt werden. Doch erst im Gerichtssaal des Landgerichts Münster passierte 2015 das, was Anna heute als "Horror" und "schlimmer als die Tat selbst" bezeichnet. Die junge Frau musste – nach einem Antrag der Verteidigung - Film- und Tonaufnahmen von dem sexuellen Übergriff im Gerichtssaal anschauen, in Anwesenheit der zwei später verurteilten Täter. Diese Bilder verfolgen sie jetzt Nacht für Nacht. Sie hatte vorher kaum Erinnerungen an das Verbrechen. Lisa erstattete wegen sexuellen Übergriffs durch einen Bekannten Anzeige. Die Polizei ermittelte schnell den mutmaßlichen Täter. Die Staatsanwaltschaft erhob im September 2014 Anklage wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Lisas Aussagen wertete sie als glaubhaft. Doch auch dreieinhalb Jahre danach ist der Angeklagte noch frei und kann ihr täglich auf der Straße begegnen. Für das traumatisierte Opfer ist nicht zu begreifen, dass es noch immer nicht zum Prozess gekommen ist, weil es laut Gericht "vorrangige Fälle" gibt. Die Protagonistinnen gehören zu vermutlich Hunderttausenden Frauen in Deutschland, die sexuelle Gewalt erfahren haben. Die Filmautorin Nicole Rosenbach zeigt in ihrem Film, was sich ändern muss, damit mehr Frauen den Mut haben, die Täter anzuzeigen.